Sabine Spitzlei

Sabine Bernhardine Spitzlei 

 "Keine Frau ist ja nur Frau"

Eine aktuelle Frage im Lichte Edith Steins

„Es ist der Boten Recht, schnell zu sein", sagte einst die Mystikerin Mecht­hild von Magdeburg über die Hl. Elisabeth. Genauso jung wie die Thürin­ger Landgräfin hat auch die Hl. Therese von Lisieux mit 24 Jahren ihren Weg bereits vollendet. Für die junge Edith Stein begann sich zwar in diesem Alter eine wissenschaftliche Laufbahn als Philosophin abzuzeichnen, in das Kraftzentrum des eigentlichen Magneten ihres Lebens war sie jedoch noch nicht hinein gezogen worden. Das geschah erst in der Begegnung mit der Hl. Teresa von Avila, mit der sie, wie mit den genannten Frauengestal­ten, in mehrfacher Hinsicht Gemeinsamkeiten teilt: Sie alle sind Frauen im Aufbruch, Frauen, die sich in Lebensformen oder Wirkungsbereichen be­wegen, zu denen dem weiblichen Geschlecht traditionellerweise der Zutritt versperrt war. Von der Begine Mechthild über die Ordensreformatorin und Kirchenlehrerin Teresa bis hin zur schöpferischen Philosophin Edith Stein brechen diese Frauen leise, ohne Aggression oder Verbitterung, Verkru­stungen auf, die in einer sich über Jahrhunderte erstreckenden Diskriminie­rung der Frau durch eine androzentrische Weltsicht verwurzelt sind. Durch ihre zur jeweiligen Zeit ungewöhnliche Lebensweise oder durch die gedank­liche Auseinandersetzung greifen sie alle das Thema „Frau" auf - und das in einer Weise, die Zeugnis ablegt für hohes geistiges und spirituelles Format.

Im Folgenden werden wir uns in einer spiralförmigen gedanklichen Bewe­gung einlassen auf das Leben Edith Steins als einer Frau, die mit ihrem eige­nen Werdegang auch die Geschichte der Frauenbewegung ihrer Zeit erzählt, als einer Frau, die zudem über die Aufgabe und gesellschaftliche Rolle der Frau in einer breiten Vortragstätigkeit reflektierte und schließlich als einer Frau, die auch in der heutigen feministischen Theologie einen Platz hat. Jede Epoche kennt Menschen, Männer und Frauen, die für ihre Zeit typi­sche Strömungen, Niederlagen und Siege im Kampf um geistige, soziale und politische Ideale, um die Vision einer Welt der Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit sinnbildlich in ihrer Person verkörpern.

Wenn wir uns der Frau Edith Stein erinnern, so wecken wir damit gleichzei­tig die Erinnerung an die erste Frauenbefreiungsbewegung in Deutschland (1848-1933), an die mühevolle Arbeit vieler Pionierinnen im Einsatz um die Freiheit der Ausbildung und Berufsausübung von Mädchen und Frauen, um das Stimmrecht und die aktive Teilnahme von Frauen an der Wissen­schaft und der Politik.

Daß Edith Stein von 1908 bis zu ihrem Abitur 1911 das Oberlyzeum der Vik­toriaschule in Breslau besuchen und sich im Anschluß an der Breslauer Uni­versität zum Hochschulstudium immatrikulieren konnte, muß auch als Frucht der in die zweite Hälfte des19. Jahrhunderts fallen den Auseinander­setzung der bürgerlichen Frauenbewegung um die Durchsetzung des Frau­enstudiums gewertet werden. Einen normalen Schulweg zum Abitur und damit zur Hochschule gab es nicht, so daß das Ziel zunächst hieß, Mädchen den Zugang zum Gymnasium zu verschaffen. Trotz aller Kritik und Vorur­teile konnten 1896 die ersten Mädchen in der deutschen Schulgeschichte ihr Abitur ablegen und dank unermüdlicher Versuche engagierter Frauen führ­te ein allmählicher Wandlungsprozeß der öffentlichen Meinung 1901 zur Zulassung von Frauen an den Universitäten des Deutschen Reiches.1 Nicht erst ihre Referentinnentätigkeit im Rahmen der inzwischen herange­wachsenen katholischen Frauenbewegung in den Jahren von 1928-1932, sondern bereits der Schul- und Studienweg Edith Steins dokumentieren, von welch grundsätzlicher Bedeutung die Frauenfrage für sie war und um­gekehrt, daß ihr Leben und Werk für die Frauenbewegung von richtungs­weisendem Einfluß waren und zwar nicht als Nebenprodukt ihrer philo­sophischen, pädagogischen und theologischen Arbeit, sondern aus dieser unmittelbar herausgewachsen. Wie jede scherzhafte Karikatur enthielten auch die auf Edith Stein gemünzten Verse anläßlich des Abschiedsfestes von der Schule ihren Funken Wahrheit:

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